Kirchweih, rechts der Pegnitz.
Am Kirchweihmontag um die Mittagszeit war ich mit einem alten Freund verabredet. Im schönsten Biergarten der Welt wollten wir uns ein Seidla schmecken lassen und unter Umständen vielleicht zwei. Vom fernen Fürth bin ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Bahnhof Lauf rechts der Pegnitz gereist. Durch die Unterführung bin ich gelaufen, die ein besonders kreativer Kreativer einmal hat aufhübschen, um nicht zu sagen auftunen hat dürfen, dass mir schon beim Vorbeieilen oft einmal ein Sodbrennen den Hals hinaufkriecht. Früher war der Schacht senfgelb gefliest, glaube ich mich erinnern zu können. Gerade schön war das auch nicht. Aber man hat ja nicht ahnen können, wie viel schöner das noch werden würde. Dann bin ich die Urlas hinaufgestapft. Unten an der runden Ecke thronte einmal ein Brauhaus. Geraucht, geraunt und getrunken wurde da bis spät in die Nacht. Spielautomaten hingen an der Wand in Düsternis. Aus den Burschen, die da hockten und ihr Geld verzockten, sind zum Teil anständige Familienväter geworden. Dies aber nur nebenbei bemerkt. Nichts davon ist übrig. Von dem Brauhaus, meine ich. Da stehen jetzt schachtelige Wohnhäuser. In denen werden Kinder aufgezogen. Und wenn sie laufen können, führt sie der Weg bestimmt öfter mal durch die Unterführung. Ganz nebenbei lernen sie dann auch das Wort Scheußlichkeit zu deklinieren. Ich will nicht weiterjammern, weil vom Festplatz her hat es schon hinunter in meine Nase angenehm geduftet. Und die Karussells haben sich gedreht. Der Mann in der Schießbude hat ernst das Gewehr nachgeladen. Ein Fischbrötchen lächelte mich an.Kirchweih, wie es schöner nicht geht. Ort der Sehnsucht, Hoffnung und Seligkeit. Und das Bierzelt leuchtete wie ein Tempel. Dann lief ich weiter zum Berg hinauf über die große, mächtige endlose Wiese. Und sah schon das Kapellenspitzlein durch die Baumblätter spitzen und meinte schon das fabelhafte Bier zu schmecken, das da oben ausgeschenkt wird. In solch freudiger Erwartung ging ich meines Weges. Dann hatʼs gescheppert in meinem nüchternen Schädel. Plötzlich wurde ich eines Fahrradwegs ansichtig, der von links nach rechts die ganze Wiese in voller Breite durchschnitt. Ich starrte und staunte. Das ist doch nicht euer Ernst. Hat Euch der Plampatsch gebissen? Ihr zerschneidet die Wiese im unteren Drittel mit einem geteerten Gürtel? Das war einmal eine wunderbare große, lange Wiese, die sich in großer Würde und Anmut den Berg hinauf schmiegte. Das war ein Gedicht. Eine sagenhafte Elegie! Doch ihr seid offenbar von allen guten Geistern schon längst verlassen worden. Sind das etwa diese Lodenjacken- und Festtagslederhosenträger, die immer und oft „HeimatHeimat!“ jodeln wie die Automaten, und nebenher die Landschaft zerteeren und zerteilen? Aber was reg ich mich auf. Sentimentaler Kasper. Ein Geld ist halt da gewesen. Und das hat man ausgeben müssen. Dann hat man halt mal schnell drüber geteert. Fürs Gedankenmachen bekommt man kein Geld. Und wenn man diesen Asphaltfrevel nichtbegangen hätte, wär kein Geld mehr gekommen im nächsten Jahr. Mit einer Wut im Bauch bin ich d en Berg hinaufgeeilt. Wenn mir oben der Pristownik junior nicht gleich eine exzellente Bratwurstsemmel gereicht hätte, wärʼs um mich geschehen gewesen. Hoch lebe das lebensrettende Metzgerhandwerk! Dann musste ich Bier trinken. Der seelenvolle Wirt erkannte meine Not und brachte ohne weitere Worte eine einwandfreie Maß Bier. Gutes kühles Beruhigungsmittel. Nach der zweiten Maß begann die wohltuende Wirkung. Da war mein Kumpel auch schon längst da. Wir sprachen zueinander und die Zeit verging so schön im Schatten der hohen Bäume. Weichen Schrittes bin ich Stunden später dann wieder den Berg hinuntergelaufen, um nach Fürth zu meinem Hauptwohnsitz zu gelangen. Da musste ich dann wieder den Fahrradweg überqueren. Und da wallte er wieder auf, der Zorn. Ich versuchte, mich selbst zu besänftigen, indem ich daran dachte, dass es vielleicht doch kein Schaden wäre, wenn der Russe bald unser Land zerbombt, das wir ohne Not zermulchen und zerschreddern in gnadenloser Grobheit. Schlimme Gedanken schwirrten mir jedenfalls durch den Schädel. Und ich kann von Glück sagen, dass ich nicht noch einmal durch die Unterführung gehen musste, weil der Zug Richtung Fürth vom Gleis 2 abfährt.